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Fluglager San Vittore 30.03.-06.04.2019

Mit einem Checkflug und aktuellem Training von 7 Landungen und 5 ½ Stunden Flugzeit im 2019 fühle ich mich flugtechnisch gut für das alpine Segelfluglager in San Vittore vorbereitet. Auch die DG 1001M ist gewartet, gecheckt und steht im Anhänger bereit für den Transport ins Tessin. Bereits am Donnerstagmittag grabe ich mein Wohnmobil aus dem Schnee und starte probehalber den Motor. Lautes Quietschen lässt nichts Gutes erwarten. Mit einer stinkenden Qualm Wolke verabschiedet sich der Keilriemen. Ich vermute, dass über den Winter hungrige Mäuse am Werk waren und bringe mein WoMo ohne Keilriemen runter ins Tal. Mein Garagist hat zwar einen Ersatzriemen, aber keine Zeit ihn auf die Schnelle zu montieren. Dank meinen Beziehungen kann ich die Reparatur in der Werkstatt des Werkhofs Schwyz selber erledigen. Leider stellt sich heraus, dass nicht Mäuse den Keilriemen angenagt haben, sondern Korrosion den Alternator blockiert hat. Freitag über Mittag also noch schnell einen neuen Alternator einbauen und am Abend los nach Buochs. Den Hänger von HB 2481 haben mir Jürg und Walti auf den Platz vor dem Baulokal gestellt, sodass ich nur noch anhängen und die Lichter kontrollieren muss. Alles scheint zu funktionieren. Doch beim Losfahren löst sich die Handbremse meines WoMo‘s nicht mehr. Auch hier hat mir offenbar über den Winter die Korrosion einen Streich gespielt. Mit viel WD 40 und einem Viertelpfund Fett ist auch dieses Problem bald behoben und die Fahrt nach San Vittore beginnt mit einigen Stunden Verspätung, dafür ohne Stau am Gotthard.

Wie abgemacht helfen mir die Kollegen von der SG Pilatus am Samstagmorgen beim Aufbau der DG 1001M und nehmen gerne mein Gegenangebot zur Montage ihres Arcus in Anspruch. Rechtzeitig zum Briefing sind wir alle flugbereit. Gemäss Flugwetterprognose empfängt uns das Tessin mit kräftiger Blauthermik, welche allerdings erst nach dem Mittag nutzbar sein wird. Auf Wunsch der Lagerleitung mache ich deshalb zuerst einen Einführungsflug mit einem Piloten der SG Säntis, welcher das erste Mal in San Vittore ist. Bei meinem zweiten Start finde ich nach viel Suchen endlich die erhoffte Thermik und geniesse die nächsten drei Stunden zwischen dem Claro, dem Matro, dem Ritomsee und dem Stregapass. Nach der Landung stehen 110 km auf dem Streckenflugkonto und bereits jetzt haben sich alle Mühen der letzten zwei Tage gelohnt. 

Die Flugwetterprognosen für den Sonntag sehen sehr ähnlich aus wie für den Samstag. Schon freue ich mich auf meinen nächsten Flug, doch kurz vor dem Briefing erfahre ich von der Lagerleitung, dass die SG Nidwalden heute zusammen mit der SG Pilatus den Flugdienst leiten muss. Als einziger unserer Fluggruppe muss ich nicht lange überlegen, an wen ich diesen Dienst an der Allgemeinheit delegieren kann. Sonnenschutz, Sitzleder, Flüssigkeit und Aufmerksamkeit sind alles, was ich heute benötige. Und besser als im letzten Jahr, als ich meinen Flugdienst am einzigen fliegbaren Tag der Woche leisten musste, habe ich es ja bereits getroffen.

Gute Blauthermik mit aufziehenden Cirren gegen Abend war kein Aprilscherz, sondern die Wetterprognose für Montag den 1. 4. 2019. Zusammen mit Claudia, der ich zeigen möchte, dass Streckenflüge nicht nur langfädige Erzählungen, sondern Hochgefühle bei Steigwerten über 3 m/s, unglaubliche Bilder und langanhaltende Träume von der grossen Freiheit des lautlosen Gleitens sein können, starten wir zum langen Schlepp zum Matro. Gleich nach dem Klinken finde ich den ersten Schlauch, der uns fast bis auf 3200 m bringt. Bei Ambri geht’s bis auf 3300 m, bei Airolo nochmals auf 3200 m und dieser Schlauch ist auch nach der Schlaufe zum Nufenen noch da. Mit beinahe 3500 m erreichen wir auf der Höhe von Faido den höchsten Punkt unseres Flugs. Mit dieser Höhe queren wir zum Stregapass, weiter über das Calancatal zum Piz Plan Grand und werfen über dem San Berardinopass einen Blick ins Tal des Hinterrheins. Der weitere Flugweg führt uns auf der Ostseite der Moesa nach Süden. Den Sprung bei Chiavenna nach Osten Richtung Engadin lassen wir, in Anbetracht der aufziehenden Zirren, für heute bleiben.

Ohne weiter zu kreisen, gleiten wir unter den wenigen Cumuli bis zum Ceneri, bewundern die Aussicht auf den Lago di Como, den Lago di Lugano und den Lago Maggiore und staunen wie gut ein Segelflugzeug auch bei Geschwindigkeiten weit über 150 km/h gleitet. Auf dem Rückflug nach San Vittore drücke ich die Nase der HB 2481 noch weiter runter, um unter der TMA 3 von Locarno mit einer Untergrenze von 1700 m durchzukommen. Nach über 3 Stunden und einem Flug über 199 km landen wir sanft in San Vittore. Claudia ist noch lange sprachlos und muss die Eindrücke dieses Flugs erst verdauen.

Für den Rest der Woche ist kaum mehr fliegbares Wetter in Aussicht. Am Dienstag nutzen wir die letzten Sonnenstrahlen für eine Klettertour im Granit. Am Abend stelle ich die DG 1001 wieder in Buochs ab. Nur einen Tag später ist die Gotthard Route so eingeschneit, dass ich sie wohl mit dem Anhänger nicht mehr geschafft hätte.

 

Am Samstag bin ich wieder in Buochs, montiere die HB 2481 und reinige den Anhänger, welcher in der Folgewoche vorgeführt werden muss. Die Thermik Prognose lässt keine grösseren Flüge vermuten, doch Wisi weiss es wieder mal besser. Auf seinen Rat hin schleppe ich mit Bart zu den Eggbergen, wo wir den Einstieg in den Föhn suchen. Steigwerte von über 3 m/s nach dem Klinken lassen uns auf einen spektakulären Flug hoffen. Doch ganz so einfach ist es halt in der Praxis nicht. Den höchsten Punkt unseres Flugs von 3000 m erreichen wir nach langem Suchen im Schächental über den Eggbergen. Der Föhn nimmt ab und unsere Höhe schrumpft. Mit 2500 m machen wir uns auf den Heimweg und landen nach fast 2 ½ Stunden und etwas über 100 km wieder in Buochs.

Die nüchterne Bilanz von San Vittore 2019 ist eine Woche Ferien, 417 Streckenkilometer, 360 Autokilometer, 4 Landungen, 9 ½ Flugstunden, 4 Stunden Auto flicken und 6 Stunden Flugdienstleitung. Je nach Betrachtungsweise scheint der Aufwand gross. 

Die Flüge über die verschneiten Alpen, die Emotionen, wenn das Vario immer wieder grossflächiges Steigen im Blauen anzeigt, die Kameradschaft beim Montieren der Flugzeuge, das Fliegerlatein am Abend sowie die zusätzliche Streckenflugerfahrung, welche ich sammeln konnte, lassen die nackten Zahlen aber verblassen. Streckenfliegen macht glücklich, auch wenn (oder weil) man sich jeden Streckenflug mit viel Aufwand erarbeiten muss.


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