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Wohl der letzte Herbstflug zum Prättigau

Urs Grubenmann:  Es ist schon herbstlich, der Wetterbericht nicht wirklich top, doch Joerg und ich wollen noch einmal motiviert auf Strecke gehen. Dies gibt mir die entspannte Gelegenheit vom hinteren Sitz dem Profi über die Schultern zu blicken …  

 

Montag, 10.09.2018, Jürg schleppt uns mit der Robin in 15 Minuten in Richtung Hoch Ybrig. Schnell führt Joerg den Duo Discus XLT leicht nördlich vom Spirstock in den ersten leichten Thermikschlauch. Wir steigen bis leicht unter die Basis auf 2300 m und gleiten in Richtung Wägitalersee. Kurz vor dem See leicht westlich gibt’s den ersten Hotspot (47.087080, 8.876670), wir packen die 400 m und steigen wieder zur Basis auf 2200 m. Joerg fliegt weiter nordöstlich und wagt noch nicht den Sprung über die Ebene bei Ziegelbrücke in Richtung Churfirsten. Jetzt wird es spannend, dachte ich mir … Die Aufwinde waren immer noch sehr schwach. Weit entfernt beim Mattstock hat es zumindest wieder Cumulus die uns den Weg weisen würden. Jetzt hätte ich wohl meinen ersten Fauxpass gemacht und wäre mutig über Ziegelbrücke geflogen, dann wohl beim Mattstock zu tief angekommen und hätte in Schänis den Turbo gestartet.

Ich gebe im LX den Mattstock 1936 m als Waypoint ein, Distanz 12 km. D. h. wir brauchen mindestens 330 m zum Gleiten und eine geschätzte Abflughöhe von 2300 m. Joerg entschied sich die 12 km zurück zum letzten Hotspot beim Wägitalersee zu fliegen und dort auf 2260 m zu kurbeln. Im zweiten Versuch, immer entlang dem Relief, überqueren wir die Ebene mit 2240 m und finden beim Mattstock auf 2040 m den nächsten Aufwind.  

Lessons Learned: Die Regel “Probieren geht besser als studieren“ – stimmt nicht immer :-) Ich werde zukünftig die Lindth-Ebene zwischen Näfels, Weesen und Ziegelbrücke mit 2300 m überqueren.

Auch die nächsten Aufwinde sind immer noch herbstlich subtil, wir halten die Höhe und fliegen weiter in Richtung Säntis. Bei Alt St. Johann in der Talmitte packen wir mit 1.3 m/s die nächsten 450 m. Wir beobachten das Wetter. Die vorhergesagte Cirrenabdeckung von Westen kommt viel schneller als erwartet.

Die nächste Entscheidung drängt sich auf. Zweidrei schöne grosse satte Wolken markieren nordwestlich beim Säntis in Richtung Toggenburg den Weg oder entscheiden wir uns in Richtung Vaduz. Nun ich bin offen, hier wäre ich zum zweiten Mal in ein Fettnäpfchen getreten. Die markierende Wolken beim Säntis liegen direkt vor uns, Vaduz jedoch 20 km entfernt. Aufgrund der schnell kommenden Cirren-Abdeckung wäre ich wohl nicht noch östlicher geflogen.

Lessons Learned: Das Gummiband ist immer noch in meinem Mindest verankert. Lieber nicht zu weit Weg und dafür sicher nach Hause, als endlich so weit wegfliegen wie möglich und dann schauen wie es weiter geht :-) Ich arbeite daran …

Joerg fliegt und er entscheidet sich für den östlichen Weiterflug. Von Alt St. Johann geht es zum Chäserrugg und mit 2400 m fliegen wir entlang dem Relief und dann direkt über das Rheintal nach Vaduz zum Alpspitz (1942 m).

Lessons Learned: Die Überquerung vom Rheintal zum Alpspitz benötigt ca. 330 – 350 m (Distanz 10 km). D. h. mit 2400 m sollte es klappen.   

Wir kommen beim Alpspitz wie geplant an doch die Suche nach dem nächsten Aufwind wird schwierig. Während der Suche sinken wir kontinuierlich … Ich wähle im LX schonmal Bad Ragaz als nächsten Flugplatz. Dann passiert es. Das LX verabschiedet sich und meldet einen Memory Fehler mit Bluescreen.

Spätestens jetzt ist mein Puls leicht erhöht. Und was macht Joerg?

Joerg ist erstaunlich ruhig und konzentriert sich nur auf den leichten flauen Aufwind, der extrem langsam den Höhenmesser-Zeiger nach oben schiebt.

Lessons Learned: Was immer passiert, Ruhe bewahre, aviate, navigate, communicate.

In entspannter Höhe, wechseln wir den Batterieschalter auf II, dann auf Motor und wieder auf I. Der zweite LX Restart war erfolgreich, es scheint alles wieder zu funktionieren. Weiter geht es flott nach Osten, denn von Westen holt uns die Cirrenbedeckung ein. Joerg scheint in seiner zweiten Heimat zu sein und führt mich entspannt dem Schesaplana-Massiv entlang bis uns der Cirrendeckel definitiv eingeholt hat und den Thermikschalter auf OFF stellte.

Nun – jetzt staunte ich wirklich, wie ruhig und konzentriert Joerg den 550 kg schweren Duo-Discus XLT präzise im letzten Aufwind kreiste. 15 Minuten (eine gefühlte Ewigkeit) kreisten wir mit 0.0 m/s an Ort und Stelle, ich habs im IGC-File heraus gemessen :-)  

Ich mache mir so meine Gedanken: Wir sind save – es reicht locker nach Bad Ragaz. Rundherum schirmt der Cirren-Deckel zu, ist es wirklich sinnvoll im Endlos-Loop zu kreisen, wäre es nicht besser den Rückflug anzutreten?  

Im Cockpit ist es extrem ruhig, der Vario-Piepton kaum hörbar. Joerg fliegt äusserst konzentriert, flach mit akribischen Steuerbewegungen.   

 

Lessons Learned: Manchmal (wohl eher meistens) lohnt es sich, solange zu kreisen wie es geht. Geduld ist der Schlüssel zur Freude.

Die Cirrenfront hat sich inzwischen in einzelne Streifen geteilt und uns überholt. Die Sonnenstrahlen heizen wieder ein und flicken die Bärte wieder zusammen … Langsam bewegt sich der Variozeiger wieder nach oben … Es braucht noch viel Geduld und noch mehr Kreise bis wir wieder von der Wolkenbasis weiter entlang der  schweizer-österreichischen Grenzen nach Osten fliegen. Bei Madrisa blicken wir von 2600 m in Richtung Klosters und den dahinterliegenden Davosersee.

Beim Roggenhorn auf 3300 m gönnen wir uns den Ausblick auf den 3312 m hohen Piz Buin (gleich hinter dem Gletscher).

Kurz vor 16:00 Uhr machten wir uns auf den Rückflug. Der Sprung nach Davos ins Graubünden war leider nicht möglich, deshalb hat sich Joerg für einen entspannten Rückflug entschieden. Wir gleiten dem Rätikon Relief und dann den Churfirsten entlang.

In Schänis starten wir den Turbo, 16:45 auf 1232 m bis  17:00  auf  1532 m.  D.h. ein Steigen von 0.333 m/s mit ca. 95 km/h, dies ist nicht berauschend jedoch zweckführend.

Ein wunderschöner und lehrreicher Herbstflug geht zu ende (Strecke 280 km, Dauer 5:17h) Herzlichen Dank Joerg, dem versierten und geduldigen Piloten.


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